Reisebericht Tag 12 und 13 - Kenai Fjords Nationalpark

4. August 2004:

Ich fürchte, mir ist das Essen des Vorabends nicht bekommen. Jedenfalls wache ich mit Magenschmerzen und leichter Übelkeit auf. Dadurch bleibt mir die Wanderung zum Harding Icefield mit 1.000 Höhenmetern versagt bzw. erspart. Für meine Kniegelenke wäre dies wohl ohnehin Gift gewesen. Die anderen sind von der - sehr anstrengenden - Wanderung begeistert, vor allem, als die Höhenmeter erst mal überwunden sind. Auch Tiere, z. B. Murmeltiere, gibt es zu sehen.

Glücklicherweise geht es mir am späteren Vormittag wieder besser und so breche ich zu einer eigenen kleinen Wanderung entlang der Küste auf, die zwar keine Höhenmeter, aber doch nette Klettereien über Steine enthält. Auch die Aussichten auf die gegenüber liegenden Berge ändern sich und machen die Wanderung sehr reizvoll. Der Hike kann übrigens nur bei Ebbe gemacht werden, allen Interessierten sei empfohlen, sich nach den genauen Zeiten zu erkundigen, da man sonst vom Wasser gnadenlos eingeschlossen wird.

Nachmittags gibt es bei den Fischern einiges zu beobachten. Nicht nur ich, sondern auch Dutzende von Möven schauen beim Ausnehmen der Fische zu. Gegen später kommt auch ein Bald Eagle (Weißkopfseeadler) vorbei und schnappt den Möven die Reste weg. Mir gelingen einige nette Bilder von den Verteilungskämpfen.

Als die anderen von ihrer Wanderung zurückkommen, ziehen dichte Wolken hinter den Bergen auf. Auch im Wetterbericht ist Regen vorausgesagt. Es sieht nicht gut aus für die Schiffsfahrt in den Fjord hinaus. Aber wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen, sondern genießen erst mal unser Abendmenü, das aus gebratener Hühnerleber (Vorspeise) und gegrilltem Chicken mit Reis-Frucht-Salat besteht. Der Salat wird gemeinschaftlich abgeschmeckt, was auf gut Deutsch bedeutet, dass jeder mal probiert und reinschmeißt, was er/sie für richtig hält. Dem Endergebnis tut's keinen Abbruch. Außerdem helfen mehrere Gläser Wein beim runterspülen.

An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass die Gruppe komplett den Anonymen Alkoholikern beigetreten ist. Ich hatte das Vergnügen, die Kasse zu verwalten und kann stolz berichten, dass wir an 14 Abenden Alkoholien im Wert von etwa 800 Dollar (Ladeneinkaufspreis) vertilgt haben. Reife Leistung, oder?

5. August 2004:

Spätestens an diesem Tag wird allen klar, das wir eine Gruppe von reisenden Engeln sein müssen. Beim Aufstehen kauern dichte, dunkle Wolken über uns. Es sieht so aus, dass es jede Minute tatsächlich zu regnen anfangen wird. Ein kleiner blauer Fleck beim Frühstück macht kurz Hoffnung, doch der verschwindet nach 10 Minuten wieder. Wir fahren nach Seward zum Hafen und - ohne zu übertreiben - innerhalb von 20 Minuten verschwindet die gesamte Wolkendecke und gibt blauen Himmel inkl. Dekowölkchen über den Bergspitzen frei.

Wir besteigen den Kenai Star für unsere Full-Day-Cruise in den Kenai Fjords NP. Die beiden besten Tische sind für uns reserviert. Der Kapitän begrüßt uns mit einer Bemerkung zum Wetter: "Jeder Tag in Kenai ohne Regen ist ein guter Tag, ein Tag wie heute ist ein genialer Tag." In Kenai gehört Regen wirklich zur Tagesordnung, nur eben für uns nicht.

Die Cruise, 129 Dollar inkl. Mittagsbüffet, ist ein Traum. Wir fahren an gletscherbedeckten Bergketten und grünen Wäldern vorbei, überholen nach wenigen Minuten unseren ersten Seeotter und haben im Folgenden Aussichten auf Buckelwale, einen Finnwal, Delfine, Lummen und eine Vielzahl von Vögeln, unter anderem Kormorane und Puffins (Papageientaucher).

Die 12 Dollar Aufpreis für das Essen sind sehr gut investiert. All you can eat mit Lachs und Rindersteak, verschiedenen Beilagen, Salate und später einem Nachtischbüffet - da bleibt kein Wunsch offen und kein Magen leer.

Als wir gestärkt sind, kommt das Boot am Holgate Glacier an, einem kalbenden Gletscher. Durch Eisschollen kämpft sich der Kapitan bis 50 Meter an den Gletscher heran und lässt uns für eine halbe Stunde an dem faszinierenden Naturschauspiel teilhaben. In einer Höhle direkt an der Wasseroberfläche löst sich laufend Eis und sorgt für eine nicht aufhörende Gischt, mehrmals donnern große Eisbrocken von weiter oben ins Wasser. Ein Geräusch wie von platzendem Popkorn liegt in der Luft. Ein vereinsamter Kajakfahrer - wo ist der nur hergekommen - rudert ebenfalls sehr nahe an den Gletscher heran, der Fahrer muss schon etwas lebensmüde sein.

Ein negatives Ergebnis hat der Tag dann doch. Bernd aus unserer Gruppe outet sich als kaum zu übertreffender Egoist. Schon kurz nach der Abfahrt baut er (als einziger überhaupt) am Bug des Schiffes sein ausladendes Stativ auf und blockiert damit den besten Aussichtspunkt des Schiffes für den Rest der Fahrt. Und dann hat er auch noch die Chuzpe, Stefanie (unsere 12jährigen) wegzuschicken, als sie auch mal ganz vorne stehen will. Sie könne sich ja auch woanders hinstellen, meint Bernd. Naja, das passt irgendwie ins Bild. Er ist ohnehin immer der Letzte, der bei Pausen zum Bus zurückkommt und der Einzige aus der Gruppe, der auf der ganzen Reise nie kocht. Bis zum Ende der Tour wird er noch einigen aus der Gruppe gehörig auf die Nerven gehen.

Zurück zum Wesentlichen. Auf der Rückfahrt kommen wir an mehreren Schutzgebieten für Seelöwen und Vögel vorbei. Es müssen Hunderte von Seelöwen und Abertausende von Vögeln sein, die wir betrachten können. Immer wieder schießen die kleinen Puffins direkt über der Wasseroberfläche an uns vorbei. Es ist ein wirkliches Naturparadies. Schade, dass die Tour um 19 Uhr langsam zu Ende geht - das 4. TOP-Highlight nach den Bären, dem Wrangell-Flug und der Prince-William-Fährfahrt.

Mit einem kleinen Quesadilla-Essen (wir hatten uns den Magen ja mittags schon voll gestopft) und dem Besuch eines Bald Eagles direkt am Fjord klingt dieser tolle Tag langsam aus. Bis kurz vor Mitternacht bleiben die meisten am Lagerfeuer sitzen.


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