Das kleine Städtchen Cradock erreichen wir am frühen Nachmittag. Es liegt in der Halbwüste des Ostkaps nördlich von Port Elizabeth, dem Beginn der Gardenroute. Die Landschaft um Cradock herum erinnert mich stark an das australische Outback. Und auch die Temperaturen lassen Erinnerungen aufkommen. Als wir aussteigen, werden wir von einem heißen Wind im Empfang genommen, es fühlte sich so ähnlich an, wie wenn ich mich neben den Abzug meines Backofens stelle. Heiliger Abend bei 40 Grad - das wird ein Erlebnis.
In Cradock sind wir im Tuishouse untergebracht, einer Ansammlung von 25 Häusern in der Market Street. Und wir bekommen auch jeder ein eigenes Haus. Steffen und ich beziehen das Dodgson House, das neben vier Schlafzimmern mit insgesamt sieben Betten auch zwei Bäder, eine Küche und einen kleinen Garten umfasst. Es kommt uns ein wenig übertrieben vor, aber was soll's - es ist ja Weihnachten.
Der Wind treibt kleine Schäfchenwolken durch den Himmel, die sich sehr gut als Verzierung für Fotos eignen. Natürlich machen wir davon reichlich Gebrauch. Danach beginnt die mentale Vorbereitung auf den heiligen Abend - bei dem Klima wirklich nicht ganz einfach.
Der unvergessliche Abend wird eingeleitet von einem Besuch der örtlichen Kirche. Wir bekommen eine afrikanische Gesangs-, Orgel- und Trompetenvorführung dargeboten, die sich wirklich hören lassen kann. Es ist schon komisch, wenn man die Noten von "Stille Nacht" erkennt und kein Wort versteht.
Das Essen (auch hier kostet es 80 Rand = 10 Euro) ist mehr als weihnachtlich. Begrüßt werden wir mit einem Sherry nach Wahl, danach gibt es zur weiteren Auflockerung des Magens etwas Punsch. Als Vorspeise wird Carpaccio vom Springbok serviert, dann dürfen wir uns am Buffet erfreuen, das unter anderem Lammbraten, Lammrippchen, Truthahn, Süsse Kartoffeln im Blätterteig, Kartoffeln mit Käse überbacken, dazu den obligatorischen Kürbis und Blumenkohl enthält. Mehrere leckere Saußen runden das Mahl ab. Das Nachtisch ist dann ein typischer Christmas-Cake mit Sahne. An dieses Weihnachtsessen werde ich mich auf jeden Fall lange erinnern. Und auch der restliche Abend war sehr angenehm.
Weniger angenehm ist es, dass am nächsten Tag wieder Wolken am Himmel stehen. Es scheint tatsächlich so, dass wir keine Pirschfahrt bei wirklich schönem Wetter hinbekommen. Sehr schade, aber was sollen wir machen. Wir begeben uns dennoch zum Mount Zebra Nationalpark.
Bei einer zweistündigen hügeligen Wanderung machen wir uns mit der wiederum sehr interessanten Landschaft vertraut, sehen viele Akazienbäume. Eine dreistündige Pirschfahrt auf einem der Hochplateaus schließt sich an. Zebra NP ist eine der letzten Lebensräume für das kleine Bergzebra, das viel scheuer als seine größeren Brüder ist. Misstrauisch werden wir aus 30 Metern Entfernung beäugt, sobald der Wagen näher heranrollt, treten die Zebras den Rückzug an.
Aber nicht nur Zebras leben auf den Hochplateaus. Kuhantilopen, Kudus, Springböcke, Gnus, Blessböcke und viele mehr können wir im diesigen Licht beobachten. Meine Kamera beginnt zu spinnen, sie meint, nach bereits 25 Bildern zurückspulen zu müssen. (Eine Angewohnheit, die ich ihr auch in den nächsten Tagen leider nicht abgewöhnen kann. Es wird Zeit, dass ich auch auf Digital umsteige).
Der Rückweg ist nichts für Rückenleidende. Holprig ist eine sehr freundliche Umschreibung für den Straßenabschnitt, nicht einmal im australischen Outback habe ich solche Straßen erlebt.
Zurück in Cradock haben wir ein paar Stunden Zeit, um uns die Stadt anzuschauen oder aufs Abendessen vorzubereiten. Wir sind schon neugierig. Auf den Straßen sind junge Schwarze unterwegs, die aus Draht und Metallresten gemachte Windmühlen verkaufen wollen. 10 Rand für eine Kleine. Manche Verkäufer sind mehr als penetrant, einmal steht einer vor meinem Fenster und geht für fünf Minuten nicht weg.