Reisebericht Tag 20-23 - Kapstadt (30. Dezember - 2. Januar)

30. Dezember:

Die letzten Wolken des Urlaubs vertreiben wir am Morgen des 30. Dezember, den wir am Cape Agulhas, dem südlichsten Punkt Afrikas, beginnen. Es ist irgendwie ein komisches und erhebendes Gefühl, an einem Ort zu sein, in dem nach Süden gar nichts mehr kommt - vom ewigen Eis einmal abgesehen. Es gibt einen kleinen Leuchtturm, der erklettert werden kann, sofern man durch die schmalen Öffnungen der einzelnen Stockwerke passt. Und es gibt ein eigenes Postamt, das die Karten mit einem Sonderstempel "südlichster Punkt Afrikas" versieht. Die meistern von uns schreiben sich selbst eine Karte, um in einigen Wochen dieses Andenken zugestellt zu bekommen.

Jetzt trennt uns nur noch Stellenbosch von unserem letzten Reiseziel Kapstadt. Das Universitätsstädtchen hat optisch nicht sooo viel zu bieten, aber die Weingegend außenrum ist wunderschön und dazu laden über 50 Weingüter zu kostenlosen bis spottbilligen Weinproben ein. Wir lassen es uns bei Zorgvliet und bei Simonsig gut gehen und nehmen gleich unseren Champagner für die Sylvesterfeier mit.

Die letzten Kilometer vor Kapstadt sind eine eigentümliche Mischung zwischen Schwarz und Weiß, Arm und Reich. Häuser des Mandela Housing Projects (bislang wurden über 500.000 Häuser für schwarze und farbige Familien erstellt) stehen vor der Kapstadter Skyline, Squatter Camps liegen direkt neben einem Traumgolfplatz. Ich kann nicht sagen, dass mir dies besonders gefällt, aber es strahlt auch einen eigentümlichen Reiz aus.

Unser Hotel "Park Inn" direkt am großen Greenmarket Square könnte kaum besser liegen. Wir kämpfen uns durch das Chaos des direkt vor dem Hotel befindlichen Flohmarktes (sehr empfehlenswert) und haben nach einer halben Stunde ohne Verluste unsere Zimmer für die letzten drei Übernachtungen bezogen. Ich bin schon sehr neugierig, schließlich gibt es viele Weltenbummler, die Kapstadt für die schönste Stadt der Welt halten. Diesen Platz nimmt bei mir bisher Sydney ein und ich glaube eigentlich nicht, dass Kapstadt hier eingreifen kann.

Nach kurzem Ausflug (per Shuttle und Taxi) zur Lower Station der Seilbahn, die zum Tafelberg führt, gehts ans andere Ende der Innenstadt und zwar zur Waterfront. Die Waterfront ist eine interessante Kombination aus voll funktionsfähigem Hafen und Touristen-Shopping-Meile. Mehrere Malls mit Hunderten von Geschäften, Bühnen, Straßenmusikern und Dutzenden von Restaurants ziehen täglich Tausende von Touristen und einige Einheimische an. Wir haben im "Greek Fisherman" einen Tisch bestellt und schlemmen mit Blick auf den leicht angeleuchteten Tafelberg und den Hafen.

31. Dezember:

Den Vormittag verbringe ich schlendernd in der Innenstadt. Es wird ja ein langer Abend werden und da darf man in meinem Alter nicht mehr so viel Kraft verbrauchen. Ich erwandere mir das fünfeckige Castle, mehrere Flohmärkte (vor allem den vor unserem Hotel - wer am letzten Tag noch südafrikanische Kunst bzw. Kunsthandwerk erwerben will, ist hier genau richtig) und die geschäftige Long Road, die vor allem Abends mit den vielen Kneipen attraktiv werden wird. Bei dem Flohmarkt vor der City Hall sind auch viele Einheimische unterwegs.

Der nicht weit entfernte Company Garden lädt am Mittag zur Entspannung im Schatten ein. Er ist lange nicht so groß wie der außerhalb liegende botanische Garten, aber für ein paar Stunden lässt es sich hier gut aushalten. Um mich langsam mit der Aussicht der bevor stehenden Rückreise auseinander zusetzen, verziehe ich mich für eine halbe Stunde in einen Internet-Shop und schreibe meine Neujahrsgrüße per Mail.

Nachmittags treffe ich mich mit Ulrike und Angelika, weil wir auch mal tagsüber an die Waterfront wollen. Mangels öffentlicher Verkehrsmittel hilft nur das Taxi, aber die Preise sind human. Dafür sind die Taxis gelegentlich... naja, sagen wir interessant. Ich war auf jeden Fall immer froh, wenn das Taxi am Bestimmungsort angekommen war.

An der Waterfront wird schon die große Sylvesterparty vorbereitet, auf der Hauptbühne findet gerade der Soundcheck für das Pop-/Rockkonzert statt. Auch sonst herrscht geschäftiges Treiben, allerdings ohne die in unseren Breiten so übliche Hektik. Der Tafelberg hat sein Mützchen aufgesetzt. Soll heißen, die Spitze des Berges und der daneben liegenden 12 Apostel ist von dichten Wolken eingehüllt, die von den Winden gegen den Berg gepresst werden. Es sieht so aus, als ob heiße Milch aus einem Topf quellen würde. Sobald die Wolken etwa 50 Meter nach unten gepresste worden sind, verschwinden sie wie durch Zauberhand. Ein beeindruckendes Schauspiel.

Das Sylvesteressen im "African Cafe" soll sehr gut gewesen sein. Mein Magen hat mir leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich vertilge einen trockenen Sandwich im Hotel, schaue mir Herrn Schröders Sylvesteransprache an (ja, es gibt ARD und ZDF, RTL und SAT1) und stoße während des Nachtischs wieder zur Gruppe. Die letzte Stunde vor 12 sind wir dann auf dem Dach des African Cafes eingezwängt und schauen belustigt zu, wie Tausende von Autos vergeblich versuchen, noch zu einem der umliegenden Strände zu kommen. Genau wegen dieses alljährlichen Verkehrschaos haben wir auf einen solchen Ausflug verzichtet. Auch der Weg zur Waterfront ist proppenvoll. Aber was soll's. Wir haben Spaß und von 10 auf 0 zählen kann man auch in etwas beengteren Verhältnissen.

1. Januar:

Selten hört ein Urlaub mit den absoluten Höhepunkten auf. Diesmal ist es so. In jeder Beziehung. Gemütlich können wir unseren (kaum vorhandenen) Rausch ausschlafen, danach geht es nach kurzem Frühstück in Richtung Süden, in Richtung Cape Good Hope.

Begonnen wird das "Highlight-Hopping" in Boulder. Boulder zeichnet sich durch sehr schöne Strände aus, aber viel bekannter und in jedem Reiseführer beschrieben ist die große Kolonie von afrikanischen Pinguinen, die dort am Strand leben. Früher liefen die kleinen lustigen Kerlchen auch noch über den Publikumsstrand und besuchten die Einheimischen. Um die Pinguine (vor Menschen, Hunden und Katzen) zu schützen, ist ihr Lebensraum jetzt mit Zäunen umgeben. Aber über Holzstege kann man immer noch ganz nahe ran an die schwarz-weißen Watschler, die uns ein atemberaubendes Schauspiel liefern.

Weiter geht's ans Kap der guten Hoffnung, dem zweitwindigsten Ort der Welt und dem Ort mit der besten Luft. Heute ist es nach Angaben unseres Tourguides fast "windstill", trotzdem muss ich bei der Wanderung zum Kap gelegentlich aufpassen, dass es mich nicht vom Weg runter weht. Natürlich klettern wir auch zu dem alten Leuchtturm auf den Hügel und schauen uns in der Umgebung um. Auf dem Rückweg begleitet uns ein Pavian, der wohl auf Essen hofft. Aber wir haben in den drei Wochen gelernt (und eigentlich auch schon vorher gewußt), dass es besonders den wilden Tieren nichts bringt, wenn man versucht, ihre Nahrung mit Bonbons oder Keksen abwechslungsreicher zu gestalten. Ausbaden müssen es dann meist die Einheimischen, denen Paviane - gewöhnt an Fütterung - mehr oder weniger regelmäßig das Leben schwer machen.

Nach einer Wanderung über das Kap hinweg und der Begegnung mit Klippschliefern (sehen aus wie eine Kreuzung aus Otter, Murmeltier und Eichhörnchen), Mengen Wasservögeln und dem Fotopunkt Nummer Eins (das Schild, auf dem "Cape of Good Hope" steht, wahrscheinlich eines der meist fotografierten Schilder der Welt) geht es zurück in Richtung Kapstadt.

Steffen und ich wollen noch auf den Tafelberg, doch zunächst sieht es so aus, als ob auch heute der Berg so bedeckt sein würde, dass sich eine Fahrt nach oben nicht lohnt. Aber wir haben Glück. Das Wolkenhäubchen verzieht sich auf die Twelve Apostel und wir können die Seilbahn besteigen.

Es gibt keine Worte, um das Gefühl zu beschreiben, als die Kabine aus dem Schatten des Berges taucht und von gleißendem Sonnenuntergangslicht eingehüllt wird. Mir stehen Tränen in den Augen. Selbst beim Schreiben dieser Zeilen - Wochen später - bekomme ich eine leichte Gänsehaut, wenn ich die Augen schließe und an diesen Moment zurückdenke. Auf der Kapstadt abgewandten Seite des Tafelberges scheint sich das Meer bis ins unendliche zu erstrecken. Nur sieht es nicht aus wie das Meer, das Bild ähnelt eher dem Bild, das man aus dem Flugzeug hat, wenn bei Sonnenschein auf eine geschlossene Wolkendecke geschaut wird. Atemberaubend, überwältigend, gigantisch, ich kann viele Worte finden, aber sie untertreiben alle.

Auf den 12 Aposteln spielt sich das schon von unten beobachtete Schauspiel ab. Die Wolken strömen auf beiden Seiten über den Berg (wo kommen sie nur her), werden von den Winden gegen die Felswände gedrückt und nach 50 Metern lösen sie sich spurlos in Luft auf. Ich verschieße meinen letzten Film, genau wissend, dass dies der Ort für eine Videokamera wäre. Der Wind pfeift an mir vorbei, er ist deutlich stärker als einige Stunden zuvor am Kap. Dann versinkt die Sonne langsam im orangefarbenen Horizont und der Urlaub ist damit (eigentlich) zu Ende. Denn schöner kann es nicht werden.

Ich habe schon an zwei oder drei Stellen diesen Satz geschrieben, der nirgendwo mehr Gültigkeit hat als hier: Wer nach Kapstadt geht und bei freier Spitze nicht auf den Tafelberg läuft oder fährt, hat es nicht anders verdient. Er oder sie verpasst eines der beeindruckendsten Naturerlebnisse, das man auf dieser Erde haben kann. Nur der Vollständigkeit (und um mich später noch daran erinnern zu können) möchte ich noch erwähnen, dass wir wegen dem 1. Januar eine halbe Stunde auf ein Taxi warten und schließlich bei "Ferrymans" an der Waterfront den letzten Abend ausklingen lassen.

2. Januar:

Noch fünf Stunden bis zum Transfer auf den Flughafen. Ein letzter Spaziergang durch die Stadt, die für mich sicher nie so interessant sein wird wie Sydney, San Francisco oder New York, die aber in eine Umgebung eingebettet ist, die ihresgleichen sucht.

Dann gibt es noch einen Kurztrip nach Camps Bay, einem der schönsten Strände in Kapstadts Nähe. Wir sitzen zu Acht auf einer Terrasse, essen unsere Henkersmahlzeit und schauen auf die Wellen, die in 18 Grad kaltem Wasser toben. Dann geht es zum Hotel zurück, Packen, Einladen, Flughafen. Der Urlaub - ein wieder mal sehr schöner - ist vorbei.


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